Wenn wir unsere Idee für eine Pflege WG anderen Leuten vorstellen und unsere Vorstellungen und Wünsche schildern, kommen oft Fragen auf. Natürlich wissen wir, dass unsere Idealvorstellung nicht komplett umsetzbar sein wird und, dass an der einen oder anderen Ecke Kompromisse geschlossen werden müssen.
Wir möchten erklären, warum wir uns bestimmte Eckpunkte so vorstellen und begründen warum uns einige Anforderungen besonders wichtig sind.
Idealvorstellung:
Ein Haus mit großem Grundstück in ruhiger Lage am Ortsrand oder in einem Dorf in Norddeutschland. Der Garten sollte nicht einsehbar sein. Öffentliche Verkehrsmittel sollten erreichbar sein. Die Entfernung zur nächsten Stadt mit Therapeuten und Ärzten sollte aber nicht zu groß sein.
Grund:
Viele Menschen mit einer Traumafolgestörung sind hochsensibel und oft schreckhaft und hypervigilant. Schon ganz normaler Straßenlärm kann Stress auslösen und das Zur-Ruhe-Kommen verhindern. Naturgeräusche hingegen wirken erwiesenermaßen beruhigend und reduzieren Stress.
Da wir eine Umgebung aufbauen möchten, wo sich alle Bewohnerinnen sicher und wohl fühlen und überhaupt die Möglichkeit haben, nach Draußen zu gehen, möchten wir in möglichst ruhiger und erholsamer Lage wohnen. Komplex PTBS Betroffene haben häufig Ängste und Phobien vor (fremden) Menschen. Je mehr Menschen, Lautstärke, Gewusel auf einmal desto schlimmer. Gesunde Menschen können sich gar nicht vorstellen, wie schwierig es ist, wenn man vor lauter Panik nicht in der Lage ist einfach nur zum Bäcker um die Ecke zu gehen. Die Chance, überhaupt das Haus verlassen zu können, ist in ländlicher Umgebung deutlich höher als in der Stadt. Wichtiger als die Anbindung an Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten ist eine reizarme und sichere Umgebung.
Der Garten soll genauso wie die Wohnräume ein sicherer Ort sein, an dem alle sich ohne Angst bewegen können. Das geht nur, wenn wir uns unbeobachtet und geschützt fühlen. Deshalb sollte der Garten entweder mit einer Hecke umgeben sein oder so liegen, dass er nicht direkt einsehbar ist. Außerdem soll der Garten verschiedene Zwecke erfüllen:
Vor allem für die Bewohnerinnen, die noch gar nicht nach draußen auf die Straße gehen können, ist der Garten ganz besonders wichtig, um den Lebensbereich zu erweitern und sich so Schritt für Schritt weiter zu wagen.
Die WG ist ausschließlich für Frauen geplant, auch alle Pflege- und Betreuerinnen müssen weiblich sein.
Die Betroffenen, für die diese WG gedacht ist, haben Schlimmes erlebt und in den meisten Fällen waren die Täter männlich. Traumatisierte leiden unter Angst- und Panikzuständen und Flashbacks. Um einen sicheren Lebensraum zu schaffen, ist es keine Idealvorstellung, sondern ein Muss, dass keine männlichen Bewohner aufgenommen werden können.
Männliche Pflege- und Betreuungskräfte können als Trigger wirken und Symptome auslösen. Natürlich können auch Frauen triggernd wirken, aber in der Regel dürften männliche Pfleger und Betreuer eher bedrohlich wirken, völlig ungeachtet ihrer Professionalität, persönlichen Eignung und ihres Charakters. Vor allem in der Pflege, wo Körperkontakt erforderlich ist, sind für die Bewohnerinnen männliche Pfleger nicht akzeptabel.
Krisen treten bei kranken Menschen, nicht nur bei psychisch kranken, häufig in der Nacht auf. Viele Menschen mit Traumafolgestörungen werden von Alpträumen geplagt, haben Schlafstörungen oder einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus. Werden in solchen Fällen die Mitbewohnerinnen um Hilfe und Beistand gebeten, dann ist auch deren Nachtruhe gestört, außerdem wären sie damit auch überfordert und die Krise würde größer statt kleiner.
Einige Bewohnerinnen benötigen wegen ihrer körperlichen Einschränkungen Hilfe beim Verlassen des Bettes.
Daher ist es unbedingt erforderlich, dass auch in der Nacht eine Betreuungsperson anwesend ist, an die sich die Bewohnerinnen in Krisensituationen oder für pflegerische Bedürfnisse wenden können.
Aufgrund ihrer Vorgeschichte haben viele Betroffene große Probleme mit dem Zulassen körperlicher Nähe, mit dem Wahrnehmen und Schützen ihrer eigenen Grenzen, mit dem Eindringen anderer in ihren persönlichen Raum. Daher müssen alle Bewohnerinnen kognitiv in der Lage sein, die Grenzen der Anderen und die festgelegten Regeln des Zusammenlebens zu respektieren. Herausforderndes Verhalten wie Aggressivität, Impulsivität, Lautstärke wirken auf die Bewohnerinnen beängstigend und machen es unmöglich, sich sicher zu fühlen.
Bei der Auswahl der Bewohnerinnen muss auf einen guten Mix der Diagnosen geachtet werden, um negative Gruppendynamik zu vermeiden. Die Anzahl der Patienten mit einer Dissoziativen Identitätsstörung sollte gut überlegt und nicht zu hoch sein. Aus diesem Grunde denken wir, dass es Sinn machen könnte auch Frauen aufzunehmen, die eine rein körperliche Erkrankung haben.
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