"Es ist nicht alles Gold, was glänzt."

Trigger!

 

Ich muss einfach mal ein paar Gedankengänge loswerden. Vielleicht hilft es anderen Betroffenen oder Angehörigen, psychische Krankheiten besser zu verstehen.

 

Unsichtbare Krankheiten sind ein schwieriges Thema. Außer wenn ich im Sommer T-Shirts trage sieht man mir nichts körperliches an. Denn außer den Narben, die meinen täglichen inneren Krieg zeigen, sehe ich ganz normal aus. Oft schaffe ich es sogar, ganz normal mit Menschen zu reden. Bei Freunden und Bekannten lächel ich und gerade erst zu Weihnachten wurde ich wieder von meinem Stiefbruder gefragt: "Geht's dir gut?" Die Frage war durchaus berechtigt, denn ich sah freudig aus und unterhielt mich ganz normal. Doch können Außenstehende nicht wissen, dass ich bei dieser Frage schreien, weinen und mir am liebsten die Haare ausreißen will. 

 

Niemand sieht wie schlecht es mir wirklich geht! Wie ich jede Nacht mit Bildern, Erinnerungen und auch dem Unwissen kämpfe. Wie ich mich die ganze Nacht im Bett wälze bis ich für kurze Zeit einschlafe, nur um dann wieder durch Alpträume aufzuschrecken. Wie ich mir jeden Tag denke "Verdammt, morgen muss ich schon wieder den ganzen Tag mit mir verbringen". Die Selbstzweifel, der Selbsthass und der Ekel vor mir sind immer da. So oft am Tag muss ich sehr stark gegen Impulse ankämpfen, wie z. B. den Spiegel wegen meines Spiegelbildes nicht zu zerschlagen und mir nicht in aller Öffentlichkeit gegen den Kopf zu hauen, wenn ich wütend auf mich bin, wenn ich denke, irgendetwas falsch getan zu haben, oder ein Triggergeräusch gehört habe. Menschen können meine Angst und Panik nicht sehen, die immer präsent ist. Ich habe gesehen, zu was manche Menschen in der Lage sind, jetzt sind alle eine potenzielle Bedrohung.

 

Niemand sieht meine innere Qual, mit der ich jeden Tag lebe. Die Schmerzen, die mich auseinander reißen.

 

Bei allem Sozialen bin ich unsicher. Nachrichten oder Emails verschicke ich mit pochendem Herzen und nachdem ich mindesten 10 mal  meine Mutter gefragt habe, ob so alles in Ordnung ist. Die Empfänger wissen nicht, wie viel Schweiß, Angst und Anspannung alleine hinter einem "Schön, das freut mich für dich" steckt. Über Gespräche grübel ich tagelang und wenn ich denke, dass ich etwas Falsches gesagt habe, muss ich lange Zeit meine eigene Wut spüren.

Generell versuche ich so wenig wie möglich aufzufallen oder jemandem zur Last zu werden. Mich hat keiner verdient. Schon wenn ich ein Kompliment bekomme, stellt sich alles in mir auf und etwas in mir fängt an, mich zu beschimpfen.

 

Ich weiß, dass es für nicht Betroffene unvorstellbar ist, so große Selbstzweifel und Selbsthass gegen sich zu haben um so weit zu gehen, sich selber bestrafen zu müssen. Ich habe mir schon Dinge angetan, wofür jeder Andere eine Anzeige kassiert hätte. Aber das ist es ja. Ich habe Täteranteile übernommen. Die Täter in mir gehen immer noch gegen mich vor und beherrschen mich. Seit Dezember habe ich eine neue Diagnose bekommen: Dissoziative Identitätsstörung. Außer meiner Therapeutin sind sich alle in meinem Umfeld unsicher, ob ich wirklich multipel bin, vor allem ich tue mich schwer mit der Diagnose.

 

Ich habe mich nach langer Zeit, in der ich alles mögliche gegen mein Leben unternommen habe, dafür entschieden, weiter zu kämpfen. Bevor Alec ins Bild kam, war der einzige Grund dafür meine Mutter. Nur weiter zu leben um einer Person nicht alles zu rauben, wird trotz aller Vorsätze auf Zeit schwer. Nun weiß ich, dass mein Assistenzhund ausgebildet wird. Der Gedanke an den Suizid begleitet mich aber trotzdem immer noch täglich und ich weiß auch nicht, ob der Gedanke jemals ganz fortgehen wird. Die Tage an denen die Gedanken leiser sind, überwiegen, an anderen Tagen sind sie lauter. Doch ich wünsche mir sehr, dass sie nie wieder so laut werden, dass ich nichts anderes mehr hören kann.

 

Niemand kann mir sagen, wie ich richtig leben kann. Aber mit Alec habe ich einen zweiten Lebensanker gewonnen. Ich vertraue darauf, dass ich durch ihn wieder mehr ins Leben finde. An ihn und meine Mutter kralle ich mich, so fest ich kann. Aber es ist ein täglicher Kampf. Ob er je endet? Ich weiß es nicht. Ich glaube, dass einige Wunden zu tief sind und niemals ganz verschwinden. 

 

Ich könnte noch so viel mehr schreiben, was man mir alles nicht ansieht. Hier gab es erstmal einen kleinen unverblümten Teil. Ich weiß, dass einige Äußerungen sehr, sehr hart klingen. Etwas positives über mich sagen darf ich nicht. Und ich habe es auch mit jahrelanger therapeutischer Unterstützung noch nicht hinbekommen, besser mit mir umzugehen, über mich zu reden oder auch nur irgendetwas in der Art zuzulassen. 

 

Das alles aufzuschreiben fiel mir sehr schwer und danach konnte ich mich durch eine Dissoziation stundenlang nicht bewegen.