Die Klinik-Odyssee

Wer krank ist, geht zum Arzt. Wer so richtig krank ist, geht ins Krankenhaus. Klingt einfach, ist es aber nicht!

 

Wer meinen Blog öfters liest, weiß, dass ich mich im August 2016 zu einem weiteren Klinikaufenthalt entschlossen habe. Seit fünf Monaten sind meine Therapeutin und ich nun auf der Suche. 

 

Ich brauche einen Platz in einer psychiatrischen/psychosomatischen Klinik mit Ärzten, die Erfahrungen in der Therapie mit DIS Patienten haben. Die Klinik müsste barrierefrei sein und ich brauche ein Einzelzimmer. Außerdem müsste ich vor allem Einzeltherapie bekommen, weil ich nicht gruppentauglich bin. So weit so gut. 

 

Wir haben mittlerweile bei ungefähr 25 Kliniken angefragt, ob sie mich aufnehmen würden. Bis jetzt habe ich nur Absagen bekommen. Von drei Kliniken warte ich noch auf eine Antwort.

 

Jeder, dem ich das erzähle ist fassungslos, "Das kann doch nicht wahr sein?!". 

 

Die Ablehnungsgründe sind fast immer die gleichen. Es gibt nur wenige Kliniken, die überhaupt Patienten mit einer Dissoziativen Identitätsstörung/Multiple Persönlichkeit aufnehmen, da das Krankheitsbild sehr komplex und langwierig zu behandeln ist. Viele Kliniken sind in alten Gebäuden untergebracht, die sind zwar manchmal sehr schön, aber selten barrierefrei. Aber auch die baulich barrierefreien Krankenhäuser lehnen oft die Aufnahme mit einer Bewegungseinschränkung einfach ab, weil man damit nicht ins Konzept passt z. B. könnte ich nicht bei der Sporttherapie mitmachen. So, nehmen wir einmal an, ich habe eine Klinik gefunden, die mich mit der DIS und dem Rollstuhl aufnimmt. Dann kommt das nächste K.O.-Kriterium; ich kann nur flüstern und auch das kostet mich viel Kraft, manchmal kann ich auch das nicht und bin stumm. Blöd für eine Gruppentherapie! Die ist auch noch aus weiteren Gründen kaum möglich. Ich habe Angst vor Menschen, vor allem vor Fremden natürlich. Das blockiert mich so sehr, dass ich blitzschnell dissoziiere. Zuviele Reize auf einmal kann ich nicht verarbeiten. Wenn mehrere Menschen in einem Raum durcheinander reden, katapultiert mich das sofort ins Aus. Mit der Zeit sind so viele alltägliche Dinge zu einem Trigger geworden, dass ich in Gesprächen schnell abschmiere. Dann sitze ich entweder eingefroren wie in einer "Locked In" Starre da oder es tritt eine andere Persönlichkeit hervor und ich kann mich hinterher an nichts erinnern. Mit diesen Problemen passe ich nicht in die Konzepte der Kliniken, da alle gruppenorientiert arbeiten. Es kommt mir stark so vor, dass die meisten Kliniken absolut gar nicht bereit sind an ihren Konzepten zu rütteln und eine individuelle Lösung zu finden. Klar, der Kostendruck für Krankenhäuser ist riesig und Gruppentherapie ist eben viel günstiger als eine Einzelbehandlung. Kassenpatienten bekommen meist höchstens eine Einzeltherapiestunde pro Woche. Privatpatient müsste man sein.

 

Die verrückteste Voraussetzung, die bis jetzt gestellt wurde, war, dass ich vor Beginn der Therapie schon eine Zusage von einer betreuten Wohngruppe habe, für die Zeit nach der Klinik. So eine Wohngruppe zu finden ist noch schwieriger als einen Klinikplatz, es gibt wirklich nur ganz, ganz wenige für traumatisierte Frauen. Die Ablehnungsgründe sind die gleichen wie oben. Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz. Was für eine Art von Unterbringung ich brauche, hängt davon ab, wie es mir geht, wenn ich aus der Klinik komme. Zurzeit bräuchte ich eine vollstationäre Einrichtung, weil ich weder einkaufen, noch kochen, noch sauber machen kann und es erst recht nicht schaffe für mich zu sorgen. Vielleicht bin ich aber auch irgendwann wieder so weit, dass ich in eine teilstationäre Wohngruppe ziehen könnte, in der ich nur tagsüber betreut werden würde.

 

Meine Therapeutin ist auf eine Ärztin gestoßen, die wirklich wusste wovon sie sprach. Sie sagte von sich aus, dass Gruppentherapie für DIS Patienten sowieso gar nicht geeignet ist. Für DIS Patienten ist es schon eine große Herausforderung, nur in der Klinik zu sein und am Alltagsgeschen teilzunehmen. Es wäre völlig falsch sich zu hohe Ziele zu setzen. Mein persönliches Ziel ist es eine bessere Kommunikation mit Anteilen aufzubauen, dies geht selbstverständlich nicht vor anderen Menschen, sondern bedarf viel Einzeltherapie. In der Gruppe ist nicht der Platz um mit traumatisierten Anteilen zu reden. 

 

Ich weiß nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll, wenn man mir immer wieder sagt, dass ich einfach zu krank für eine stationäre Therapie bin. Das ist doch absurd!!! 

 

Um überhaupt irgendwie weiter zu kommen, muss ich aber unbedingt in eine Klinik. Erstens, weil Therapie hier im familiären Umfeld gar nicht möglich ist, dazu muss ich einfach Abstand bekommen. Und Zweitens reicht natürlich eine Stunde ambulante Therapie pro Woche nicht ansatzweise aus. Nach der ambulanten Stunde komme ich nach Hause und bin allein und ungeschützt. Niemand ist da, wenn es mir schlecht geht, ich in Panik gerate oder switche (Persönlichkeiten wechseln). Also berühren wir in der Thapie keine schwierigen Themen und können nur stabiliserend arbeiten. Aber das ist ja auf Dauer nicht Sinn der Sache. Ein Weiterkommen ist also nur in einem beschützten Rahmen möglich. Auch wenn ich noch so viel Angst vor der Therapie habe und dieser Weg bestimmt nicht einfach wird, bin ich aber motiviert und möchte mein Bestes geben, eine Verbesserung zu erreichen.

 

Mit all diesen Absagen fühl ich mich ganz schön im Stich gelassen. Eigentlich ist unser Gesundheitssystem eines der Besten der Welt und trotzdem bekomme ich keine Hilfe, die ich so dringend benötige. 

 

Mit drei Kliniken sind meine Therapeutin und ich noch im Gespräch. Eine Klinik in Bayern würde mich aufnehmen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Ich könnte aber dort auch nur sechs Wochen bleiben, was bei Weitem nicht ausreicht, aber das wäre zumindest mal ein Anfang. Ich bin froh, dass diese Möglichkeit besteht. Sollten die drei Kliniken, mit denen wir noch im Gespräch sind absagen, wird meine Threapeutin eine zweite Runde beginnen und ausgewählte Kliniken nochmal anschreiben.

 

Hier läuft doch irgendwas falsch?!

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Kommentare: 9
  • #1

    M. (Mittwoch, 17 April 2019 15:58)

    Liebe Johanna,
    ich kann das was du beschreibst sooo gut nachfühlen. Ich bin ebenfalls eine Betroffene und bereits so oft an diese Grenzen gestoßen. Ich habe deine Seite erst heute gefunden und finde mich in sooo vielem, was du schreibst wieder. Ich habe dir bereits eine Mail wegen dem Wohnprojekt gesendet. Es wäre toll, wenn du Zeit für eine Antwort findest.
    Ich mag dir nur sagen - Du bist damit echt nicht alleine! Aber wenn wir Betroffenen weiter kämpfen und nicht aufgeben und vielleicht Step by Step Menschen erreichen, die mit uns kämpfen, erst dann, aber dann wird sich etwas verändern können. Die Mühlen in den Köpfen der Menschen u. der Welt mahlen sehr langsam. Mit diesen vielen Hürden die uns tagtäglich begegnen. Auch Uns. LG

  • #2

    Sebastian (Mittwoch, 07 April 2021 07:34)

    Hallo,

    ich würde gerne Kontakt mit dir aufnehmen, wenn du Interesse hast, denn ich glaube das wir fast in der selben Situation stecken, jedenfalls nach Text in deinem Blog....wenn du willst:

    basti79basti@hotmail.de

  • #3

    Peer L. (Freitag, 14 Mai 2021 03:47)

    Hallo, ich hoffe sehr dass du eine Klinik gefunden hast die dir helfen konnte. Ich suche schon gar nicht mehr. Meine Mutter (57 Jahre alt) auch sehr sehr schwer an DIS erkrankt. Hat fast keine klaren Momente mehr und ist fast den ganzen tag dissoziieret da sie mittlerweile fast alles triggert. Die einfachsten Sachen wie Essen, trinken, zur Toilette gehen, Körperpflege triggern so stark dass Panik ausgelöst wird. Sie fällt auch durch das Raster... sie ist zu krank für unser ach so tolles Gesundheitssystem. Kliniken sind mit ihr total überfordert. Stellen nach jedem weiteren Aufenthalt eine neue Diagnose. Ihr Zustand verschlechtert sich leider bei jedem Krankenhaus Besuch. Da wir es zu Hause mit ihr nicht mehr geschafft haben, haben wir nach einem Pflegeheim gesucht... gar nicht so einfach. Für die einen Heime ist sie zu jung... für die anderen zu krank. Bloß eins hatte sich bereiterklärt es zu probieren. Hat leider nur 3 Monate geklappt, wobei das gesamte Team im Heim wirklich alles gegeben hat und auch nur als aller letzten Ausweg gezwungen war sie wieder einzuweisen. Einzuweisen in die örtliche Klinik. Die Klinik die ihr schon 5-6 mal nicht helfen konnte. In diesem Strudel befindet sich meine Mutter seit ca. 2 Jahren. Meine Mutter ist leider zum klassischen Drehtürpatienten geworden. Weil sie zu krank für unser System ist.
    Gibt es Erfahrungen von Kliniken die sich Trauen DIS schwersterkrankte, schwerst traumatisierten Patienten zu behandeln? Bin über jeden Tipp dankbar. Liebe Grüße, viel Kraft für erkrankte und Angehörige
    Peer

  • #4

    Tanja T. (Montag, 24 Mai 2021 22:52)

    Hallo,
    leider konnte ich ich in allen Beiträgen und Fragen keinen Wohnort erkennen.
    Mir selbst, als Betroffene hat die unten genannte Klinik sehr geholfen.
    Vielleicht auch für Euch einen Versuch wert.
    Es kann sich was ändern..., lasst es zu, aber es braucht sehr, sehr viel Zeit und nützt jede Möglichkeit.

    Klinikum Stuttgart –
    Krankenhaus Bad Cannstatt
    Klinik für Psychosomatische
    Medizin und Psychotherapie
    Prießnitzweg 24
    70374 Stuttgart
    Kontakt Privatpatienten
    Prof. Dr. med. Annegret
    Eckhardt-Henn
    Sekretariat Frau Hammer
    Telefon: 0711 278-22701
    Telefax: 0711 278-22172
    s.hammer@klinikum-stuttgart.de
    Kontakt für gesetzlich
    Versicherte
    Frau Imhof
    Telefon: 0711 278-22703
    s.imhof@klinikum-stuttgart.de
    www.klinikum-stuttgart.d

  • #5

    V. Huber (Mittwoch, 22 Februar 2023 07:30)

    Hallo, auch ich bin erst auf diese Seite gestoßen. Unsere Tochter ist auch schwer traumatisiert und dissoziert seit kurzem ca. 10-20x am Tag (fällt einfach um, schüttelt den Kopf, krampft und klopft mit den Fäusten auf Schenkel oder sonstwas). Auch hat sie einige Anteile in sich...
    Wir suchen auch verzweifelt eine Klinik (wobei Laura große Panik davor hat), Bad Canstatt haben wir angefragt, schätzungsweise eine evtl. Aufnahme in 6 Monaten. Neue Hoffnung ist die Klinik in Breklum (800 km von uns weg), auch die hört sich ganz ordentlich an und eine Aufnahme im April wäre möglich. Kennt jemand die Klinik dort?

  • #6

    Silvia Tietze (Dienstag, 02 Mai 2023 15:31)

    Hallo Johanna
    Dein Eintrag ist schon etwas älter, deshalb meine Frage. Hast du erfolgreich eine Klinik gefunden? Habe exakt das gleiche Problem. Besonders in Hinblick auf Gruppentherapien. Ich suche verzweifelt nach Therapeuten, kassenärztlich ist speziell Trauma nicht zugelassen (Einzelgespräche ohne Klinik)
    Ich hoffe sehr auf eine Antwort
    Liebe Grüße Silvia

  • #7

    An Silvia Tietze (Sonntag, 14 Mai 2023 11:40)

    Hallo Silvia, mein Webseitenanbieter bietet leider keine richtige Antwortfunktion.

    Nein, ich habe keine Klinik gefunden.
    Mir geht es mittlerweile psychisch besser, aber das war pure Eigenarbeit.
    https://www.wirr-wege.de/2022/07/03/psychohygiene/

    Ich drücke dir die Daumen, dass du doch noch eine Klinik findest. Ich weiß wie schwer es ist an kompetente Hilfe ranzukommen und wie schlimm sich das anfühlt, nach Hilfe zu fragen und sie nicht zu bekommen.

    Alles Gute und viele liebe Grüße
    Johanna

  • #8

    Jasmin Wachholz (Montag, 15 Mai 2023 08:25)

    Hallo Johanna,
    In einem bist du mir voraus. Du hast die Diagnose wohl schriftlich. Seit 1996 werde ich mit Diagnosen wie Borderline oder Bipolar abgespeist. Mein jetziger Arzt meinte letztens zu mir, dass ich garkeine Borderline-Störung hätte. Mehr sagte er nicht. In den letzten paar Monaten habe ich mich intensiv, natürlich nur in Einzelgesprächen, mit Freunden und Verwandten unterhalten. Fast alle fragten: Wer bist Du? Entscheide Dich mal! Da fiel mir meine letzte Therapeutin ein, die vor einigen Jahren schon den Verdacht hatte, es könnte DIS sein. Sie hätte aber zu wenig Erfahrungen mit dieser Diagnose. Evtl. könnte da vielleicht Hypnose helfen. Fragte bei der Kasse an, aber die lehnten klar ab, was die Kosten anginge. Ich habe dann aufgegeben und ließ mich wieder 1-2 x jährlich in irgentwelche Kliniken einweisen, wo so gut wie keine Therapiesitzungen angeboten wurden. Habe bis dato erstmal nur das Knappschaftskrankenhaus Bochum und die LWL-Klinik in Münster angeschrieben, zwecks Diagnostik. Mal sehen, was es bringt. Da meine Ehe ja jetzt auch am Ende ist, ist auch egal in welche Klinik in Deutschland gehe. Hauptsache sie bringt was. Liebe Johanna, schön, dass es Dich gibt. LG Jasmin

  • #9

    Bernd (Mittwoch, 13 März 2024 13:23)

    Liebe Johanna,

    danke für diese Webseite! Was du schreibst, bewegt mich sehr.
    Vieles von deiner Erkrankung kenne ich - zum Glück bin ich nicht so schwer betroffen wie du. Auch bin ich schon ein älteres Semester - und in meiner Entwicklung tut sich noch viel. Meine Persönlichkeit ist von schizotyper Natur und ich bin hochsensibel sowie zwanghaft. Und nun merke ich, dass ich wohl aus mehreren Persönlichkeiten bestehe - und das mit fast 60 Jahren.
    Und Hilfe - diese zu finden, ist wirklich schwer. Und ja - wir müssen irgendwie selbst dieses Rätsel lösen, das uns widerfahren ist. Schön ist das nicht, aber wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.
    Und so ist es schön, so eine Seite wie die Deine zu finden und zu sehen - es gibt noch andere Menschen, die das gleiche erleben wie ich - und die auch irgendwie ganz alleine auf sich gestellt sind in ihrem außergewöhnlichen Leben.

    Lass diese Seite bitte online und berichte weiter von dir - es ist sehr wertvoll.

    Danke

    Bernd