In den letzten Tagen hatte ich jede Nacht einen ähnlichen Traum. Ich bin allein, meist auf einer einsamen Insel ohne Vegetation, nur mit verdorrtem Gras. Dann kommt das Feuer. Es schließt mich ein und versperrt mir alle Auswege. Wenn ich eine Öffnung im Feuer sehe, renne ich darauf zu, wenn ich nah genug dran bin lodert auch da das Feuer hoch. Ich suche panisch nach einem Ausweg. Ich wache hyperventilierend auf, wenn das Feuer mich komplett eingeschlossen hat und anfängt mich zu verbrennen.
Ich habe mit meiner Mutter heute über den wiederkehrenden Traum geredet. Für mich ist eigentlich ganz klar, dass der Traum ein deutliches Sinnbild meiner Gefühlslage ist. Ich fühle mich eingeschlossen, hilflos und existenziell bedroht und ich sehe momentan keinen Ausweg. Nichts, was sich in absehbarer Zukunft an meiner ganzen Lebenslage ändern kann. Und wenn es mir so erscheint, als hätte ich eine Möglichkeit gefunden, dann stellt sich das ganz schnell wieder als Flop heraus.
Meine Mutter meinte, dass sie mit unserer Situation eher eine bleierne Schwere „wie im Moor versinken“ in Verbindung bringen würde. Das Feuer ist lebendig und brutal, das Versinken im Moor fühlt sich schwer und ziehend an. Beide Bilder machen für mich Sinn.
Ich habe schon seit langer Zeit eine andere sehr detaillierte Szene vor Augen, die meine Gefühle ziemlich treffend beschreibt. Schon seit Monaten ist das Bild sehr prägnant für alles was bei mir vor sich geht. In z. B. Superhelden oder Anime Filmen gibt es doch oft riesige Kampfszenen. Ein Charakter schlägt den anderen. Der Geschlagene fällt wie in Zeitlupe mit viel Wucht weit nach hinten.
So würde ich auch mein Gefühl beschreiben. Ich fühle mich seit vielen Monaten so, als wäre ich gerade mit voller Wucht geschlagen worden, ich befinde mich in Zeitlupe im Fall, habe den Boden aber noch nicht erreicht. Während ich falle, fühle ich mich verwirrt und hilflos. Ich versuche panisch nach irgendwas in allen Richtungen zu greifen und um Hilfe zu rufen. Aber der große Aufschlag ist noch nicht gekommen. Stattdessen bleibt das Gefühl vom „Kinnlade herunterfallen“ und der Frage „OMG! Was zum Teufel passiert hier?!“. Bis aufs innerste bin ich geschockt und meine Grundannahme von Menschlichkeit und dass es doch einen Ausweg geben muss, ist zum wiederholten Male markerschütternd zerbrochen.
Ich weiß, dass es nicht nur Menschen da draußen gibt, die unempathisch sind, uns einfach nicht verstehen möchten und uns bösartig und nachweislich falsche Tatsachen unterstellen und uns somit den Weg zu nötigen Hilfsangeboten versperren. Ich weiß, dass es natürlich Ausnahmen gibt, Leute die uns helfen, uns unterstützen, uns Mut zusprechen, vielleicht sogar ein klein bisschen verstehen wie düster das Leben für meine Mutter und mich ist.
Klar habe ich meine Mutter als starken Felsen. Aber sie befindet sich doch im selben Fall wie ich. Bei ihr habe ich noch ein viel stärkeres Bild vor Augen, wie sie nach jedem Anhaltspunkt, jedem Strohhalm greift. Sich versucht mit all ihrer Kraft festzukrallen aber im Endeffekt überall abrutscht.
Ich sehe mich als Realistin, das würden andere sicherlich in Frage stellen. Meine Mutter ist eine unermüdliche Optimistin, die nie aufhört daran zu glauben, dass wir wieder festen Boden unter den Füßen finden. Ich kann mir oft nicht vorstellen, dass sie das wirklich ernst meint. Aber was soll sie auch Anderes sagen? Wenn wir beide den Kopf hängen lassen, bringt es uns ja auch nicht weiter. Es stört mich manchmal, wenn meine Mutter sagt: „Alles wird irgendwann gut!“, weil ich dann das Gefühl hab, dass sie damit die Probleme klein redet. Aber ich weiß, dass es wichtig ist, das manchmal zu hören und zu wissen, dass es zumindest eine Person gibt, die nicht aufgibt. Es tut mir aber auch für sie furchtbar leid, dass sie versuchen muss sich so stark zu geben und ich frage mich, wie lange das ein Mensch aushalten kann. Wobei ich gelernt habe, dass man viel mehr aushalten kann, als man eigentlich für möglich hält, wenn es keine Alternative gibt. Meine Mutter behauptet, dass man daran wächst, wenn man schwierige Zeiten durchlebt und meistert. Mit allen Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe, fühlt es sich für mich so an, als ob mich das ganze Elend immer mehr schwächt und mir das Leben ausquetscht.
Das Wohnprojekt, das wir auf die Beine stellen möchten, ist noch ein möglicher offener Weg, wenn auch noch weit entfernt. Ich traue mich noch nicht zu hoffen, dass es wirklich klappt. Aber der Optimismus von meiner Mutter reicht dafür für zwei.