Getrennte Wege

Update 30.09.2016 Alec ist wieder in Schleswig Holstein und wird weiter ausgebildet. Blogeintrag

 

Es fällt mir nicht leicht, euch die folgende Nachricht mitzuteilen und es zerreißt mir mein Herz, aber es ist das Beste für uns. Es ist schwer genug darüber zu reden, deshalb sage ich es einfach gleich. Alec ist nicht mehr mein Assistenzhund. Wir haben einen sehr netten und viel passenderen Mann, der ebenfalls eine PTBS hat, gefunden, der nun Alec’s Herrchen ist und dessen Leben hoffentlich durch den Schokobären erleichtert wird. Alec’s und meine Ausbildung wurde durch Spendengelder finanziert, deshalb möchte ich so transparent wie möglich sein.  


Wir sind viele

Der Hauptgrund, den ich und meine Trainerin gesehen haben ist, dass Alec nicht mit uns auskommt und er sehr verwirrt ist. Ich habe eine Dissoziative Identitätsstörung, auch bekannt als Multiple Persönlichkeitsstörung. Nachdem Alec bei uns eingezogen war, haben immer mehr Innies (die anderen Persönlichkeiten, die sich den Körper teilen) Alec kennengelernt. Die meisten von uns, vor allem die Kleinen haben sich riesig über unseren neuen Hund gefreut. Leider gibt es auch welche, die mit ihm nicht klar kamen. Keiner von uns war jemals aggressiv gegenüber Alec, aber einige wollten keinen Kontakt. So - jetzt stellt euch mal vor: Ein Innie war sehr distanziert und ging ihm aus dem Weg und dann kommt plötzlich im gleichen Körper ein Kind hervor und möchte kuscheln. Da wäre jeder erst einmal total verwirrt und würde sich zurückziehen. So ging es Alec dann auch.

 

Alec ist nicht von Anfang an bei uns aufgewachsen. Ich (Johanna) habe ihn zwar oft mit meiner Mutter besucht, damit wir uns aneinander gewöhnen konnten, aber er hat die Anderen nie kennengelernt. (Ich kannte zu der Zeit auch nur wenige, erst im letzten Jahr haben sie sich mir so richtig vorgestellt und sich gezeigt. Auch wenn sie schon immer da waren, aber ich habe deren Stimmen als sehr eigenartige Gedanken gedeutet) 

 

Alec hat sich mit jedem Switch zu anderen Innies weiter von mir entfernt. Es ist sehr eindeutig gewesen, dass er mit der Situation jedesmal überfordert war. Ich habe viel mit meiner Trainerin darüber geredet, sie ist wie wir der Meinung, dass wir Alec irgendwann damit kaputt machen würden. Das heißt nun nicht, dass es bei jedem Hund so ist, es gibt auch viele Assistenzhunde, bei denen man sieht, dass es kein Problem für sie ist.

Wir wollen alle das Beste für den Schokobären und ich möchte nicht, dass er durch uns irgendwann ein "Burn-out" hat.


Sensibilität

Meine Trainerin sagt immer wieder, so einen coolen, unerschrockenden, sturköpfigen und dickfelligen Hund wie Alec hat sie noch nie gesehen. Es gibt fast nichts, was ihn schockieren kann, er ist willensstark und hat keine Angst. Das ist echt klasse für einen Assistenzhund, er zeigt einfach, dass man keine Angst haben muss, er ist ein großer Beschützer. 

 

Für mich war es immer wichtig, dass mein Assistenzhund mir Sicherheit spendet und den Kontakt zu mir sucht und auch ein Kuschelhund ist. Auch wegen dem oben beschriebenen Punkt hatte sich Alec aber schon so weit von mir entfernt, dass er nicht mehr auf mich reagierte. Ob Panikattacke, Autoaggressives Verhalten, Dissoziationen, Albträume, Depressive Stimmung, von Alec gab es keine Reaktion. Natürlich dauert es, bis ein Hund eine gewisse Bindung aufbaut und lernt wie er reagieren kann. Jedoch hat Alec eher den Raum verlassen, wenn es mir schlecht ging. Auch wenn ich versucht habe ihn "zu nutzen" (mich zu ihm kniete und ihn streichelte), stand er auf und verließ die Situation. Das hat in uns sehr viele Konflikte ausgelöst und die Zustände eher noch verschlimmert.

 

Auch unterwegs, beim Training oder beim Spazierengehen, konnte Alec sich deswegen immer weniger auf mich einstellen und war mir keine Hilfe. Die Sensibilität, zu merken, wenn es mir schlecht geht, kann man einem Hund halt nicht antrainieren, entweder er hat sie oder eben nicht.

Dazu braucht er dann noch den Willen, dann für mich da zu sein anstatt "sein Ding zu machen".


Ich war zu schwach

Dazu kommt noch, dass ich zu wenig Kraft für Alec hatte. Er ist ein großer, stämmiger Hund und ich, die durch die Bewegungsstörung dauerhaft geschwächt bin, komme gegen ihn nicht an. Bei der Arbeit ist er bei mir immer sehr gut und zuverlässig an der Leine gelaufen. Arbeit und Freizeit konnte er klar unterscheiden. In seiner Freizeit ist er manchmal auch wie ein Lamm an meiner Seite gegangen, aber er ist eben ein junger, lebendiger, lebenslustiger Hund, der auch mal hinter einem Vogel hinterherspringt und vergisst, dass er mich damit glatt umschubsen kann. Da ich mich ja umfangreich vorher informiert habe, war mir klar, dass er ein Junghund ist und ich möchte auch keinen Roboter. Trotzdem geriet ich beim Spazierengehen, vor allem wenn ich mit ihm allein war, oft in schlimme Zustände, weil ich damit total überfordert war.

 

Die letzten 8 Wochen konnte ich auch leider gar nicht mehr mit ihm raus gehen, da ich seitdem im Rollstuhl sitze. Außerdem hällt der Sprachverlust weiterhin an, sodass ich mit Alec nur noch mit Handzeichen kommunizieren konnte. Meine Therapeutin und ich sind uns sicher, dass die Überforderung mit Alec der Auslöser für die Bewegungsstörung war. 

 

Ich glaube, dass durch Alec's Verwirrung mit den Innies und meine generelle Überforderung mit der Gesamtsituation keine wirkliche Bindung entstehen konnte. Es weiter zu versuchen hätte es nur noch schlimmer und schmerzhafter gemacht. 


Wie geht es weiter?

Am 8.9. habe ich ein Vorgespräch auf einer Traumastation, in der ich hoffentlich so schnell wie möglich aufgenommen werde. Der erste weitere Schritt ist also ein stationärer Psychiatrie-aufenthalt. Ich habe viele Baustellen, um die ich mich, bevor ich an einen neuen Hund denken kann, kümmern muss. Das Ziel ist mehr Stabilität.

 

Wenn sich das alles geklärt hat, werde ich mir Zeit mit der Suche nach einem geeigneten Hund nehmen. Ich glaube nach wie vor, dass mir ein Assistenzhund helfen kann mich beim Leben zu unterstützen. Der Plan ist, einen Welpen bei mir/uns aufzunehmen, damit der Welpe gleich das Leben mit einer Multiplen kennenlernt. Zusammen mit meiner Trainerin, die mich weiter intensiv begleitet, werde ich dann meinen Hund selbst ausbilden. Es ist aber ganz klar, dass wir erst einen neuen Hund bekommen, wenn wir ein gutes System entwickelt haben, in dem eine Kommunikation und ein Zusammenleben möglich ist. Zudem werden wir auch nicht alleine mit einem Welpen leben. Im Vordergrund steht immer das Wohl des Hundes.

 

Vielen Dank nochmal an alle Unterstützer und für den moralische Beistand. Bitte seid mir nicht böse, dass ich auf Nachrichten nicht antworten kann. Uns geht es ausgesprochen mies. Die Entscheidung war wahrlich keine leichte. Aber ich weiß, dass es für Alec das Beste ist. Wir passten einfach nicht so zusammen, wie ich es mir so lange Zeit gewünscht habe. Die Einsicht, dass es mit uns nicht klappt war extrem schmerzlich. 

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Kommentare: 4
  • #1

    Karin (Donnerstag, 01 September 2016 17:06)

    Ich wünsche dir weiterhin alles gute. Ich hoffe es klappt alles wie du es dir wünschst :)

  • #2

    Janika (Donnerstag, 01 September 2016 20:13)

    Es wird die richtige Entscheidung sein. Du wirst deinen richtigen "partner" Hund schon noch finden, da bin ich mir sicher. Wenn es nicht sein soll, dann ist es so!

    Fühlt euch gedrückt.
    Janika mit Casbah

  • #3

    Birgit Fehrs (Donnerstag, 01 September 2016 22:46)

    Liebe Johanna, ich kann mir nicht vorstellen, wie schrecklich es im Moment für Dich ist, aber ich glaube daran, dass Du auch in diesen schweren Momenten an einem besseren Leben für Dich arbeiten kannst. Du hast schon so viel überstanden, Du schaffst auch dies. Gut ist, dass Du Dir immer professionell helfen läßt. Ich habe Deine Zeit mit Alec war eine gute Zeit (meistens) und hat Dich auf einen weiteren Helfer vorbereitet. Bleib so offen wie Du bist und glaube an Dich und eine Besserung in Deinem Leben. Alles Liebe.

  • #4

    Ingrid Köser (Freitag, 02 September 2016 00:06)

    Ich finde ihr habt das richtig gemacht! Respekt!!! Falls Du mal ein Kuscheldefizit hast, dann komme ich gerne mal mit Oskar vorbei. Einfach nur klingeln.

    Lieben Gruss und gute Besserung!