Zweimal Bielefeld und zurück

In der letzten Zeit habe ich nicht viel Persönliches in meinem Blog geschrieben. Auf meiner Facebookseite gab es immer mal kurze Updates, aber heute will ich mal wieder ein bisschen mehr erzählen. 

 

Schon im letzten Jahr haben wir eine Klinik gefunden, in der ich endlich mal neurologisch untersucht werden kann. Es war erstaunlich schwer ein Krankenhaus zu finden, das ein MRT unter Vollnarkose macht. Vor drei Jahren habe ich schonmal ein MRT versucht, aber auch mit starker Sedierung war meine Klaustrophobie zu stark. 

 

Im April war es nun endlich so weit. Mit meiner Mutter, Judith und meiner beinahe Schwägerin fuhren wir nach Bielefeld. Autofahren ist mittlerweile echt schwierig geworden; mich überraschte es selber wie wenig Stabilität mein Rücken hat. Bei jeder Kurve und bei jedem Bremsen kippte ich einfach mit um. Wir haben mich dann zu allen Seiten mit Kissen abgepolstert. Nach über drei Stunden waren wir dann endlich angekommen. Das Krankenhaus hat eine Abteilung für Behindertenmedizin. Da werden Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen behandelt. Weil eben alle Patienten ganz unterschiedliche Einschränkungen haben, sind dort alle Ärzte/innen und Pfleger/innen besonders geduldig und bereit sich auf speziellere Bedürfnisse einzustellen. Es wurde sogar ein Zettel an meine Zimmertür gehängt, auf dem z. B. draufstand „nur nach Klopfen eintreten“. Außerdem ist dort viel mehr Pflegepersonal da, als auf herkömmlichen Stationen. Trotzdem hatte ich viel Angst vor dem Unbekannten. Judith war zum Glück als meine Begleitperson die ganze Zeit bei mir.

 

Als wir ankamen wurde gleich eine Aufnahmeuntersuchung gemacht. Blutdruck messen und Blut abnehmen klappte noch ganz gut. Aber dann sollte ein EKG gemacht werden. Dazu müssen ja Elektroden auf die Haut im Brustbereich aufgeklebt werden. Dass Leute mich im Brustbereich anfassen ist für mich ein absolutes NoGo. Die Krankenschwester war eigentlich super nett, versuchte aber, mich zu überreden und mir zu erklären, dass das ja gar nicht weh tut. Dabei ging sie einen Schritt zu weit und prompt überfiel mich ein Krampfanfall.  Natürlich ist das immer scheiße, aber zumindest haben Ärzte und Schwestern mich so gesehen und sich selbst davon überzeugen können, dass der Ablauf wirklich genau so ist, wie ich das immer beschreibe und das ich und auch meine Mutter meine Grenzen genau kennen und „Nein“ wirklich „Nein“ heißt. Den Anfall haben wir dann im Untersuchungszimmer ausgesessen. Der Tag war gelaufen. 

 

Am nächsten Tag war der Neurologe da, der zuerst mit uns lange geredet hat und mich auch körperlich untersucht hat. Er nahm sich wirklich viel Zeit und war sehr bedacht im Umgang. Er ordnete das MRT und eine Messung der Nervenbahnen vom Gehirn in die Beine an.

Am dritten Tag sollte es eigentlich ein Gespräch mit einem Psychiater geben, das aber von seiner Seite abgesagt wurde, weil sein Spezialgebiet nur Psychiatrische Erkrankungen bei geistig behinderten Menschen ist. Aber weil ich ja geistig, außer in dissoziativen Zuständen, völlig fit bin, sah er sich als nicht zuständig an. Der Termin fiel also aus. Gegen Mittag kam die Oberärztin zu uns aufs Zimmer und erklärte recht verlegen, dass das MRT, das für den folgenden Tag geplant war, auch ausfallen müsste, weil das Gerät kaputt sei. Eine Reparatur wäre kurzfristig auch nicht möglich, also müsste es bei einem weiteren Aufenthalt nachgeholt werden. Die Messung der Nervenbahnen haben wir dann auch auf das nächste Mal verlegt und sind noch am selben Tag nach Hause gefahren.

 

Genau einen Monat später haben wir uns wieder auf den Weg nach Bielefeld gemacht. Diesmal waren wir schon etwas beruhigter, weil wir ja schon wussten, was uns erwartet und dass alle Mitarbeiter dort wirklich nett und hilfsbereit sind. Wieder die gleiche Aufnahmeprozedur, nur ohne EKG Versuch. Gleich am Aufnahmetag hatte ich ein langes Gespräch mit einer Assistenzärztin und später noch ein Vorbereitungsgespräch mit der Anästhesistin wegen der Vollnarkose. Die beiden gaben mir wirklich das Gefühl, dass ich ernst genommen werde und dass sie sich bemühen, das Ganze für mich so schonend wie möglich zu gestalten. 

 

Am zweiten Tag sollte dann das „große Ereignis“ MRT stattfinden. Dafür musste ich mit einem Krankenwagen in ein anderes Haus gebracht werden. Das war natürlich schon eine riesen Herausforderung. Damit ich das besser verkrafte bekam ich eine halbe Stunde vorher ein Beruhigungsmittel verabreicht. Die Schwester guckte mich mit großen Augen an als sie mich fragte ob ich mich denn schon müde fühle… äh nein Beruhigungsmedikamente haben bei mir noch nie gewirkt, aber trotzdem Danke für den Versuch. Dann kam das Transportteam und mit vereinten Kräften haben vier Leute versucht, mich mit einem Rolltuch vom Bett auf die Trage zu bugsieren. Zu viele Leute, zu viel anfassen, zu viel Action, alles ging so schnell… da war ich auch schon weg. Bevor ich von der Bildfläche verschwand, war ich kurz davor anzufangen zu krampfen, ich merkte schon wie meine Arme in die Position gingen. Das Positive war dann aber, dass es nicht in den Krampf ging, sondern ich noch rechtzeitig von Lea, einer Innenperson von uns abgelöst wurde. Kleine Anmerkung: ich schreibe eigentlich nie öffentlich über Innies, aber Lea hat sich selber öffentlich schon einige Male gezeigt. Lea ist jugendlich und in jeder Hinsicht stärker als ich. Keiner von uns kann zwar mehr gehen, aber Lea kann z. B. sich ohne Hilfe umsetzen. Außerdem kann sie ganz normal laut sprechen und hat auch keine Angst vor Menschen. Weil sie einer der Innies mit der höchsten Alltagskompetenz ist, hatte sie die Aufgabe bekommen die Untersuchungen zu übernehmen. Alles was passierte während Lea da war, habe ich natürlich nicht mitgekriegt, sondern es wurde mir hinterher von Judith erzählt.

Nunja, Lea fuhr also mit Judith rüber in das andere Krankenhaus. Die Fahrt, das Warten und die Einleitung in die Narkose hat sie sehr gut hinbekommen. Das Aufwachen war dann wohl ziemlich schwierig. Wir nehmen an, dass es ein ziemliches Multichaos mit viel Verwirrung und Angst gab. Bis ich dann wirklich wach geworden bin, dauerte es ziemlich lange. Das war für uns alle heftig verwirrend. Das Letzte was ich ja mitgekriegt hatte, war das Umsetzen in meinem Krankenzimmer und dann im Aufwachraum einer anderen Klinik aufzuwachen war beängstigend. 

 

Am nächsten Tag sollte die Untersuchung der Nervenleitbahnen sein. Dazu musste ich wieder in die andere Klinik. Ich hatte sehr dolle Panik davor und wollte eigentlich zuerst alles absagen. Habe dann aber doch zugestimmt, die Untersuchung war mir ja auch wichtig. Also wieder das Ganze von vorne: Beruhigungstablette, die nicht wirkt, Transportteam kommt, aber diesmal waren wir schlauer. Judith hat alle rausgeschickt und hat mich mit dem Patientenlifter auf die Transportliege gesetzt. Die Fahrt mit dem Krankenwagen habe ich dissoziiert überlebt. Im anderen Krankenhaus mussten wir durch etliche Flure fahren bis wir in der Neurologie ankamen. Dort noch ein bisschen warten. Das war mir dann wieder zu viel und war dann wieder weg vom Fenster. Die Untersuchung an sich ist nicht angenehm, die Nervenleitbahnen in den Beinen werden mit Stromstößen getestet. Das tut ungefähr so weh, wie wenn man einen Weidezaun anfasst. Eigentlich nicht schlimm, aber nicht alle Innies können verstehen, dass das jetzt notwendig ist und keine böse Absicht hinter dem Schmerz steht. Manche von uns reagieren bei körperlichem Schmerz sehr heftig. Die Untersuchung hat das ganze System ziemlich aufgeschreckt, sodass es viele schnelle Wechsel gab, bis Lea wieder etwas Ruhe reingebracht und die Situation gerettet hat. Lea war auch ein bisschen verstört, weil das Letzte was sie mitbekommen hatte, war am Vortag die Einleitung der Narkose gewesen. Und nun saß sie in einem Untersuchungsraum mit Elektroden an den Beinen. Aber sie hat die Untersuchung cool zu Ende gebracht und durfte dann zur Belohnung mit den Krankenwagenfahrerinnen eine Zigarettenpause machen. Die Tests waren alle völlig unauffällig, die Nerven sind also alle ok.

 

Als wir wieder zurück im Krankenzimmer waren, brachte uns die Oberärztin das Ergebnis vom MRT. Sie sagte, dass darauf eine Auffälligkeit gefunden wurde, die sie als Internistin aber nicht interpretieren könnte. Das müsste der Neurologe übernehmen, der sei aber erst in der nächsten Woche wieder im Haus. So fuhr Judith immer noch mit Lea an dem Tag nach Hause. Auf der Autobahn habe ich den Schreck meines Lebens bekommen als ich bei 150 km/h plötzlich wieder da war.

 

Die Oberärztin rief uns ein paar Tage später an, sie hatte mit dem Neurologen gesprochen, der noch mit der Neuroradiologie besprechen wollte, welche weiteren Tests nötig sind. Denn die Auffälligkeit könnte auf eine entzündliche Erkrankung schließen lassen.

Nun warten wir auf einen weiteren Anruf, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Falls der Neurologe meint, dass dem nachgegangen werden sollte, müssen wir nochmal dort antreten.

 

Das hört sich jetzt wahrscheinlich blöd an, wenn ich sage, dass ich mich freue, dass was gefunden wurde! Für viele körperliche Erkrankungen gibt es Behandlungsmethoden, die vielleicht dazu beitragen, dass ich wieder auf die Füße komme. Es ist alles noch sehr unklar und das Warten ist natürlich doof, aber vielleicht entsteht ja die Möglichkeit einer Heilung oder zumindest Verbesserung der körperlichen Symptome. Denn wenn ich körperlich fitter wäre, könnte ich auch leichter an Psychotherapie rankommen. Es bleibt spannend. 

 

P.S.

Das Highlight der Woche: Judith hat nun endlich einen Pflegedienst gefunden, der über die Entlastungsleistungen der Pflegekasse meine Wohnung reinigt. Judith hat lange gesucht, aber hier in der Gegend hatten die Pflegedienste immer keine Kapazitäten frei. Als sie es bei dem letzten Pflegeberatungsgespräch ansprach, meinte die Beraterin, dass ihr Dienst das sofort regeln könnte. Nun kommt alle zwei Wochen eine Haushaltshilfe für zwei Stunden. 

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Kommentare: 1
  • #1

    A. (Donnerstag, 18 Juli 2019 23:54)

    Ich finde es hört sich überhaupt nicht blöd an, dass du glücklich bist das etwas gefunden wurden ist. Grade das nicht kreifbare der psychischen Erkrankungen macht es doch so schwer und wenn deine Dissoziativen Störungen nach außer somatisch erscheinen, sucht jeder nach einer Erklärung und wie du schon schreibst damit ist die Hoffnung etwas verändern zu können. Das geht bei Dissoziativen Störungen und Psychischen Störungen auch, nur eben nicht indem Arzt es mal eben heilt. Eine zerbrochene Seele benötigt viel mehr innerer Kraft und die Innies eine Menge Sicherheit und Geborgenheit. Ich wünsche dir, dass etwas gefunden wird, wo ein Ansatz gefunden werden kann, etwas zu verbessern.